Kanada Kanutour 1995

Anfang September 1995 war es endlich soweit. Nach fast 9 Stündigem Flug und einer Zwischenlandung in Detroit sind wir in Toronto gelandet. Von den USA konnten wir leider nicht viel mehr als den Flugplatz und Mc Donalds sehen, was aber auch schon sehr interessant war. – Cola nachfüllen bis zum abwinken.Toronto wurden wir dann von einem Bekannten, der einen Bait&Tackle Shop sowie ein kleines Motel am Georgian Bay in Thornbury hat, abgeholt. Nun folgte eine Woche lang Crashtourismus. Sightseeing, Junkfood, und endlose Autofahrten. Als nach einer Woche mein Vater sich mit seinem Reisebegleiter wieder in die Heimat verabschiedete, ging für meinen Reisepartner und mich das Abenteuer erst richtig los.

Startpunkt war unser mittlerweile nur noch mit Donuts und Chickenwings in Verbindung gebrachtes Motel (die Frau des Betreibers hat uns so mit Essen jeglicher Art vollgestopft, daß wir befürchten mußten nur noch per Tieflader hier wieder wegzukommen). Per Autostop, oder besser hitch-hiking sind wir dann innerhalb eines Tages bis an ein kleines, von einem supernetten Rentnerehepaar betriebenes Hotel 5 Kilometer vor Anfang des Algonquin Natioal Parkes gelangt. Thurnburry -> Dwight = ca. 300 KM. Es nehmen einen zwar die kuriosesten Typen (vom Walter Matthau Verschnitt im Lincoln über Garth und Wayne bis zum Garth Brooks im Wrangler Jeep mit Angelboot und Joint) mit, aber man steht selten länger an als eine halbe Stunde. Und das, obwohl hier manchmal nur alle halbe Stunde ein Auto vorbeikommt.

Nach einer erholsamen Nacht und einem kostenlosen Frühstück, das uns der nette Besitzer unseres Motels in einem eigentlich nicht öffentlichen Hotel eines Bekannten von ihm besorgt hat, brachte er uns (ohne was dafür annehmen zu wollen) bis zum ersten Kanuverleih innerhalb des Nationalparks. Dort deckten wir uns erst einmal mit Verpflegung und sonstigen hier äußerst günstigen Utensilien (Maglite,Buckknife etc.) ein. Nachdem wir uns für ein mittelleichtes aber noch nicht ganz so teures Kanu entschieden hatten, ließen wir uns zu einem Startpunkt fahren. Vor uns lagen 12 Tage Wildnis und Einsamkeit. Sicherheitshalber muß man solche Touren bei den Rangers anmelden (mit Zeltfarbe, geplanter Route etc..) und wenn man sich dann nach der vereinbarten Zeit nicht wieder zurückmeldet, schicken die einen Suchtrupp los.

Der Algonquin Nationalpark ist mit einem riesigen Wegnetz aus Seen und Flüssen durchzogen. Viele Stellen dort sind nur mit dem Boot erreichbar. Auch das Motorboot fahren, ist bis auf wenige Ausnahmen auf diesen Seen verboten. Im ganzen Park gibt es nur eine Straße. Dies ist der Highway, der durch den Park führt. Das Campen ist nur auf sogenannten Campsites erlaubt. Das sind markierte Stellen, die in der Regel nur eine Feuerstelle aufweisen. Dies soll garantieren, daß in Notsituationen die Camper leichter gefunden werden und nicht durch Feuerstellen usw. mehr von der Natur zerstört wird. Auf den beiden Bildern sieht man 2 solcher typischen Campsites. Auf manchen findet man auch eine lustige Holzkiste mit nem Loch drin. Ob das wohl eine Toilette für die Bären sein soll ?

Die Verbindung zwischen den Seen sind meist Bäche oder eher eine Art Wasserlauf, die auf den nächsten zwei Bildern zu sehen sind. Doch leider gibt es auch öfters eine sogenannte Portage. Dies sind dann Trampelpfade, die mit je 15Kg Gepäck und einem Kanu bewältigt werden müssen. Anfangs sind wir die Strecken zweimal gelaufen, also zuerst zu Zweit mit dem (dann doch nicht mehr so leichten) Kanu und danach noch mal mit Gepäck. Da diese Tragepassagen jedoch oft auch eine Länge von 3-5Km haben, ist das eine riesige Rennerei. Nach und nach sind wir dann dazu übergegangen die Strecken in einem Aufwasch zu bewältigen. Jeder ein 72l Rucksack vollbeladen mit zusätzlichem 40l wasserdichtem Ortlieb Packsack rangeschnürt; und dann das Kanu obendrauf. Vorteil dieser Methode ist, daß das Kanu dann auf den überstehenden Rucksäcken aufliegt. Nachteil ist definitiv das Gewicht. Alle 1000m ist eine Zwangspause nötig. Zumindest bei uns nicht so durchtrainierten.

Hier ist es: Das Schild des Grauens.
Was leider auf dem Bild nicht zu entziffern ist, ist die Zahl die unter dem Symbol steht und die Länge der Tragepassage angibt; Nämlich genau 3895m.
Auf den folgenden zwei Bildern sieht man die angenehmen Verbindungsstücke der Seen. Mäßiges, müheloses Dahingleiten klappt allerdings erst mit einiger Übung. Am Anfang sind wir die Dinger im ZickZack durchfahren. Aber hat man erst mal den Dreh raus, gibts nichts schöneres.

Doch Vorsicht, wer sich zu früh über den Bachlauf als Verbindung freut……..
wird mit Biberdämmen nicht unter 5 Stück bestraft. Es ist faszinierend, was diese kleinen Tierchen alles zu leisten vermögen. Sie setzen sogar ganze Landstriche unter Wasser. Man staunt ganz schön, wenn man durch eine Sumpflandschaft paddelt und plötzlich vor nem Wasserhöhenstandsunterschied von einem halben Meter steht. Da hilft auch kein Fluchen mehr. Einer muß; raus, bei Familie Biber vorsichtig einen Fuß aufs Dach stellen (glücklicherweise ist mein Reisebegleiter ein Dachdecker mit Erfahrung bei der Biberdeckung;-) und das Kanu samt Inhalt rüberziehen. Es ist erstaunlich, was so ein Damm alles aushält. Keine unsere manchmal unbeholfenen Aktionen hat keinen beschädigt (zum Glück).

Am fünften Tag unserer Tour erreichten wir einen auf unserer Karte als besonders sehenswertes Naturdenkmal gekennzeichneten Pinienstand. Wir haben uns das zwar angeschaut, fanden es aber nur halb so beeindruckend wie die restliche Landschaft. Da standen einfach ein paar besonders hohe Bäume. Als wir anlegten, sahen wir noch zwei Angler, die in einem abgelegen Teil des Sees angelten. Ich dachte mir natürlich gleich – Aha die kennen sich bestimmt aus, und dort gibts was zu fangen. Als wir dann von unserer Sightseeing Tour zurückkamen, und die anderen Angler das Feld geräumt hatten, warf ich an der Stelle meine kleine Angel mit Blinker aus. So ca. 1 Stunde später, als wir gerade im Begriff waren frustriert (und hungrig) aus dem Teil herauszupaddeln, sahen wir 2-3 große Forellen springen. Also zurückgepaddelt und weiterversucht. Ca eine Stunde später verließen wir den Platz als Sieger, mit einer fetten Forelle (trout).
Beim zurückpaddeln bemerkten wir, die im Wasser stehende und grasende Elchkuh. Erst nach einer gewissen Zeit trauten wir uns so nah heran, daß dieses Bild (mit Kleinbildkamera ohne Zoom) entstehen konnte. Respekt hatten wir allerdings, da uns so eine riesige Elchkuh mit Leichtigkeit zum Kentern bringen könnte.

Als wir dann die endlich unser für diesen Tag gestecktes Ziel erreichten, nämlich einen Campsite im Lake Big Trout, verwöhnten wir uns mit selbiger. Die Forelle war ein richtiges Festmahl für uns. Wir haben unser Essen stark rationiert um nicht zuviel Gepäck mitzuschleppen. Das typische Tagesmenue sah etwa so aus: Morgens gab es die ersten paar Tage Toastbrot mit Honig (je 4 Scheiben) und dann eine Fertigsuppe ala 5Minuten Terrine (wegen Schimmel konnten wir nur Toastbrot für die ersten Tage nehmen). Über den Tag verteilt gabs dann für jeden einen leckeren Mars oder Snickers Riegel. Abends kochten wir uns dann entweder 500 Gr. Spaghetti oder ca 3 Reisbeutel – für alle Beide und ohne Zutaten (vom Glücksfang der Forelle mal abgesehen). Das ist nicht viel, zumal man noch körperliche Arbeit leisten muß (Portages). Bei unserer Nächsten Kanutour werden wir entweder mehr zu Essen mitnehmen oder mehr zeit ins Angeln investieren. Außer der Forelle haben wir nur noch 4 kleine Barsche gefangen, die nicht mal ganz für einen Nachtisch gelangt haben. Angeln ist in den Seen übrigens nur mit einer fishing License erlaubt. Die kostet für einen Monat so ca 20-30 DM.

Etwas weiteres hatten wir auch noch sehr knapp kalkuliert. Nämlich Gas. Diesmal zwar nicht aus Gewichtsgründen, sondern weil in den „Outfitters“ nur noch eine Gasflasche für unseren aufschraubbaren Kocher zu bekommen war. Auch einige Telefonate brachten uns nicht weiter – im Umkreis von 200KM Ausverkauft. Wir haben immer wenn es ging Feuer gemacht und den Kochtopf dann in die Glut gestellt. Einmal konnten wir allerdings kein Feuer machen, da alles Holz zu naß war und die letzte Gasflasche ging gerade beim Spaghetti kochen aus. Was herauskam war dann eine breiige, klebrige und dermasen ekligschmeckende Masse, daß wir sie sogar bei unserm Hunger weg gekippt haben.
Die komischen Backenhörnchen hat das allerdings nicht gestört. Die haben sich das Zeug in die Backen gemampft, daß einem schlecht wurde. Mit diesen Backenhörnchen hatten wir so unsere Probleme. Sie sehen sehr putzig und Lieb aus, aber die Donald Duck Filme mit Ahörnchen und Bhörnchen sind sehr realitätsnah. Geht man einen Meter von seinem Rucksack weg; schon sitzt eins drin und knabbert alles an. Wenn ich alles schreibe meine ich auch ALLES. Rucksack, Jacke, Hose, Wasserdichter Ortliebsack alles wurde angeknabbert. Mit offenem Zelt haben wir auch nur eine halbe Nacht geschlafen. Es ist nicht sehr angenehm, wenn einem die Dinger übers Gesicht rennen.

Mittlerweile war es schon Ende September und nachts wurde es so um die Null Grad kalt, aber die Seen hatten noch mindestens 22 Grad. Das tägliche Bad gehörte so zu den angenehmeren Dingen. Als Reisezeit kann ich den September nur wärmstens empfehlen. Die Zeit der nervigen „blackflys“ ist vorbei (die sind ähnlich eklig wie die „mitches“ in Schottland). Man bekommt den Anfang des herrlichen „indian summer“ mit und die Temperaturen sind sehr angenehm. Wir hatten tagsüber so zwischen 20-25 Grad. Nur Abends als die Sonne weg war wurde es deutlich kühler und nachts sank die Temperatur bis fast Null Grad (warmer Schlafsack ist sehr wichtig!). Einen großen Nachteil hat diese Jahreszeit allerdings. so ab ca. 20 Uhr ist es dunkel. Wir saßen abends zwar noch am Feuer, aber wegen der Dunkelheit und Kälte sind wir immer spätestens um halb 10 ins Zelt gekrochen.

So circa am achten Tag unserer Tour kamen wir wieder in die Nähe des Highways. Dort war auch ein Outfitter an dem See, den wir zu durchqueren hatten (den haben wir regelrecht überfallen und in Sachen Nahrungsmittel leergekauft). Nun mußten wir laut Karte irgendwann demnächst den Highway überqueren und dann unser Tour südlich des Highways wieder in die Richtung unseres Ausgangpunktes beenden. Wir lagen noch recht gut im Zeitplan und hatten unseren Puffertag noch nicht verbraucht. Da das unsere erste Kanutour überhaupt war, haben wir einige Reserven eingeplant. Um ehrlich zu sein hatten wir anfangs nicht die leiseste Ahnung wieviel Strecke man mit einem Kanu täglich zurücklegen kann, und es dauerte auch einige Zeit bis wir korrekt geradeaus fahren konnten.
Die erwartet Highway Überquerung kam dann doch ziemlich überraschend. Wir schleppten gerade das Kanu durch eine Portage, die sich kaum von den anderen unterschied, als wir plötzlich mitten auf dem Highway standen. Ich weiß jetzt leider nicht mehr wer dümmer guckte – die Autofahrer oder wir. Kein Schild nichts, das darauf hinwies. Man kann auf dem Bild rechts gut erkennen daß die Portage ziemlich in die Wildnis führt aus der wir kamen.
Als wir dann nach Überquerung des Highways über eine gemähte Wiese auf einen Strand zuliefen (mit dem Kanu auf dem Kopf was das Gesichtsfeld stark auf ein paar Meter vor einem beschränkt), blickte ich nach rechts und sah einen Elch liegen. Im ersten Moment dachte ich an irgend so eine kitschige Plastikfigur wie wir sie Eingangs des Parkes an den Sovenierläden gesehen hatten, aber als sie dann aufstand wurde ich stutzig. Wir ließen das Kanu vor Schreck regelrecht fallen und spurteten zur Seite. So ein männlicher Elch ist ca. 2 Meter hoch (Schulterhöhe- also mit gesenktem Kopf) und äußerst beindruckend. Er trollte sich dann ganz langsam ins Wasser, wo wir auch das Foto schossen. Etwas mutiger trauten wir uns diesmal näher heran. Das Tier muß wohl auch an Menschen etwas gewöhnt sein, da es so nah am Highway bzw. an einem angelegten Strand lebt.
Nach Beendigung der Kanutour trampten wir wieder aus dem Park heraus. In unser Motel mit den netten Besitzern in dem wir auch auf dem Hinweg halt gemacht haben. Nach einer äußerst ausgiebigen Dusche haben wir dann eine Kneipe aufgesucht. Dort haben wir unsere Entbehrung der letzten Tage wieder wettgemacht. Die Bedienung, die uns die Unmengen Essen an den Tisch brachte (jedesmal mit dem Kommentar bei der Bestellung das das ein wieder ein Hauptgericht sei“), meinte zum Schluß nur noch : „you’re pigs!“. Wir hatten es doch tatsächlich geschafft knapp 100 Dollar zu verfressen und vertrinken. Auf dem Nachhauseweg zum Motel kämpfte ich dann allerdings öfters mal, mit meinem Mageninhalt. Ich schaffte es gerade so daß er dort blieb wo er hingehört.
Frisch gestärkt brachen wir am nächsten Morgen zu unserer 5tägigen Wandertour auf. Einen Teil des Gepäcks ließen wir im Motel und unser Wirt war mal wieder so freundlich uns in den Park zu fahren.
Nun hatten wir leider etwas Pech mit dem Wetter. Es regnete ziemlich arg und unsere Sachen durchweichten. Zu allem Überfluß bekam ich dann noch Probleme mit meinem linken Knie, so daß ich nur noch mit Stock abwärts gehen konnte.
Auf dem Bild rechts sieht man wieder meinen „Dachdecker“ beim bezwingen eines Biberdammes.

Für dieses Bild haben wir mindestens eine viertel Stunde gewartet. Dann kam endlich das Wolkenloch und die Sonne fiel auf die Bäume. Man sieht die herrlichen Farben des Indian Summer. Der Regen hat die Verfärbung der Bäume beschleunigt. Der ganze Wald war rot und gelb.


Weiterführende Literatur:

deutscher Naturparkführer: Algonquin Park von Wayne Van Sickle

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